„Das tut mir jetzt schon auch weh und ich möchte behandelt werden“, sagt der SFX Artist und lacht. Medizinische Versorgung ist hier aber zum Glück nicht nötig. Was so täuschend realistisch fließt, ist kein echtes Blut, sondern das der Kategorie Supreme Blood - jüngste Entwicklung von Spezialeffekt-Entwickler Dr. Jochen Gottfriedsen bei Kryolan. „Oft bekommen wir Anfragen nach Blut, das im Verlauf gerinnen soll“, erzählt Gregor Knape. „Mit Supreme Blood sind wir schon sehr nah an der Natur dran. Es verringert im Fluss die Geschwindigkeit, weil sein Gewicht weniger wird. Das sieht dann aus, als würde es gerinnen und wirkt daher sehr echt.“ Chef-Entwickler Yousef Atapour hat sichtlich Freude am blutigen Vorführeffekt an der Spüle. „Vieles, was Sie im Film und Fernsehen sehen, ist unser Erzeugnis, das erkenne ich sofort“, erklärt er stolz. „Kryolan ist der größte Anbieter von Kunstblut in Europa.“ Auch Hollywood vertraut auf das Know-How aus Berlin und das hat Tradition: Schon in den 50ern entwickelte Firmengründer Arnold Langer ein Kunstblut für das Theater, vor dem Krieg hatte er bereits Erfahrungen mit dessen Herstellung bei der Ufa gesammelt. Jede Weiterentwicklung der Aufnahmetechnik machte in der Vergangenheit neues Kunstblut nötig, denn entscheidend ist, was die Kamera einfängt, nicht was die Schauspieler sehen.

Herausforderungen

„Unser Bestseller war bisher das Spezial Filmblut IEW“, so Gregor Knape. Allein von 2008 bis 2016 wurden davon rund 40 Tonnen verkauft, ein Gesamt-Volumen, mit dem ein großer Sattelschlepper komplett betankt werden kann. „Es ist bisher das meistverwendete Blut, weil es perfekt für Theatereffekte und auf die alten Aufnahme-Techniken abgestimmt ist. Für HD können Sie das nicht verwenden, die Pigmente darin werden von seinem grellen Kameralicht reflektiert, es sieht dann opak aus, wie geschmolzener Lippenstift.“ Diesen Eindruck bekommen nicht nur die Profis, jeder Zuschauer realisiert sofort: Fake! „Wir alle wissen instinktiv, wie Blut aussieht, das ist einprogrammiert und überlebensnotwendig. Deswegen ist es grundsätzlich sehr schwer zu imitieren“, so die Erklärung des SFX-Experten. „Um zu erzielen, dass jeder zusammenzuckt, einen kurzen Adrenalinstoß bekommt, sich erschreckt - da muss das Produkt wirklich auf den Punkt sein.“

Welche Eigenschaften für welches Blut

Um die Nerven der Zuschauer stets genau auf diesen Punkt zu treffen, hat Kryolan über zwanzig verschiedene Produkte in jeweils mehreren Rotnuancen im Sortiment. Unterschieden wird grundsätzlich in externe Sorten zum Auftragen und interne, deren Verzehr unbedenklich ist. „Grundlage der meisten Sorten ist dabei Wasser. Dies ist häufig ein besonders gereinigtes, destilliertes Wasser, außer beim Augenblut, da nehmen wir steriles Wasser aus der Apotheke.“, erläutert Yousef Atapour und Chemiker Dr. Jochen Gottfriedsen ergänzt: „Bei der Herstellung von Kunstblut sind einige Kriterien zu beachten. Zunächst mal die Farbe, wir müssen für die Blutsorten Pigmente oder Farbstoffe nach Kosmetikrecht verwenden, die für interne Anwendungen auch lebensmitteltauglich sind. Da ist man sehr eingeschränkt, wir nehmen dafür unter anderem Karmin. Dann ist die Viskosität wichtig und wie der Tropfen sich bildet. Die Fließgeschwindigkeit regulieren wir durch die Auswahl der Inhaltsstoffe. Die Basis bei Supreme Blood besteht beispielsweise aus einer speziellen Zuckerlösung.“ Getestet und beobachtet werden diese Fließeigenschaften auf einer schlichten Glasscheibe im DINA 4-Format, die in etwa einem 45 Grad-Winkel an einer Metallhalterung befestigt ist und die dafür an den Rand der Spüle gerückt wird, in die Gregor Knape gerade so dramatisch das Kunstblut tropfen lässt. „Das Supreme Blood haben wir entwickelt, weil uns ein Blut fehlte, das aussieht wie gerade aus dem Körper austretend. Wir nennen es auch Spritzblut. Man sticht hinein und das Blut fließt malerisch aus der Wunde heraus,“ beschreibt er. „Es ist ein sehr realistisches Blut, wohingegen HD Blood ein sehr ästhetisches ist. HD Blood ist ebenfalls transparent, es wurde dafür entwickelt, in sehr blaustichigem Licht von der Kamera durchleuchtet zu werden. Deswegen musste es pigmentfrei sein und wirkt im normalen Licht viel zu bräunlich. Aber durch HD-Auflösung und Technik wirkt es wie echt.“

Wofür wird das Blut verwendet?

Um allen Bedürfnissen der darstellenden Künste gerecht zu werden, gibt es Blutkissen, die unter der Kleidung zerplatzen, Blutkapseln zum Zerbeißen, Augenblut, Infusions-Blut, das in Film-Krankenhäusern durch die Blutspendemaschinen läuft und leicht durch Pumpen und Schläuche fließt. Blut als Paste und Puder, Sorten die nach dem Trocknen glänzend bleiben oder solche, die leichte Krusten haben, bei Tageslicht besonders realistische – Militär und Deutsches Rotes Kreuz bestellen diese Sorte für ihre Einsatz-Übungen. Sonderwünsche werden natürlich auch erfüllt – etwa wenn während einer Nibelungen-Inszenierung jeden Abend 800 Liter Blut dramatisch die Theater-Treppen hinunterlaufen sollen. Yousef Atapour hat natürlich auch das hinbekommen und in diesem Fall noch eine weitere Herausforderung gemeistert: Die Produktionskosten dafür so niedrig gehalten, dass von diesem im wahrsten Sinne des Wortes durchlaufendem Posten nicht das Budget der Bühne gesprengt wurde. Ansonsten werden auch kleine Mengen von 15 ml verkauft – der kreativen Verwendung sind dabei keine Grenzen gesetzt: „Ich habe in Südafrika einen Fashion-Look für eine Kryolan-Kampagne geshootet“, berichtet Paul Merchant, Global Head of Make-up bei Kryolan. „Der Look wurde von Mutter Natur inspiriert. Ich wollte, dass das Model mit meinem Make-up-Design in natürlichen Tönen und Texturen magisch und stark erscheint. Deswegen habe ich ein wenig vom HD Blood auf ihren Augenlidern verwendet, um eine reichhaltige, glänzende Textur zu bekommen. Es hat wunderschön funktioniert.“

Waschbarkeit

Gregor Knape wischt sich das Supreme Blood mit einem Tuch von der Hand, spült den blutigen Lappen unter fließend Wasser aus, bis er wieder komplett sauber ist. „Die Auswaschbarkeit ist ein weiterer Vorteil unserer Zuckerbasis. Zucker ist wasserlöslich, egal in welchem Zustand“, kommentiert er. „Selbst verbrannter Karamell lässt sich mit Wasser komplett lösen und das macht die Waschbarkeitseigenschaften dieses Produktes aus. Sie haben auf diesem Gebiet mit Abstand die besten Werte. Wir haben das gegen Fremdmarken getestet. Lauwarme Handwäsche mit Wollwaschmittel löst unser externes Supreme Blood rückstandslos wieder heraus.“ Dabei ist anzumerken, dass externes Blut kosmetisch zugelassen sein muss und sich besser auswaschen lässt. Internes Blut hingegen, hat zusätzlich Lebensmittelqualität und ist hingegen etwas schlechter auswaschbar, das liegt an den unterschiedlichen roten Farbstoffen.

Der besondere Geschmack

Und in noch zwei Dingen unterscheidet sich das realistische Kunstblut vom echten: Zum einen fehlt der typische Geruch nach Eisen. Zum anderen ist es süß oder enthält Aromastoffe. „Das IEW schmeckt nach Erdbeere, weil die Rohstoffe selbst keinen guten Eigengeschmack haben und wenn das Blut in den Mund genommen werden soll, ist das sonst unangenehm“, so Yousef Atapour. „Wir hatten aber auch den Fall, dass Darsteller das nicht mochten oder vertrugen. Wir haben dann gefragt, welcher Geschmack besser wäre und bekamen zur Antwort: Grüntee beziehungsweise Pfefferminz. Da habe ich dann eben den entsprechenden Tee aufgebrüht und das Blut mit dem Sud versetzt.“ Kein Zweifel: Blut aus dem Hause Kryolan ist wirklich immer eine ganz besondere Mischung.